Offener Brief zur anstehenden Abstimmung über die EU-Urheberrechtsreform im digitalen Binnenmarkt


an die hessischen Mitglieder des Europäischen Parlaments,
die Damen und Herren CDU-Kandidaten für die Europawahl am 26. Mai,
die Damen und Herren CDU-Abgeordnete im Bundestag und hessischen Landtag,

Mit großer Sorge beobachten wir den CDU-internen Diskurs über die anstehende europäische Urheberrechtsreform, insbesondere den Artikel 13 Abs. 1 der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52016PC0593).

Wir verwahren uns gegen jede Form der Panikmache. Wir glauben nicht, dass die Urheberrechtsreform das Ende des freien Internets darstellt, oder zu einer sonst wie dystopischen Zukunft führen kann. Wir stehen hinter den Künstlern und Urhebern, die unser Internet bereichern und wir haben ein großes Interesse an deren angemessener Vergütung.
In der vergangenen Woche wurde unter der Führung von Paul Ziemiak ein Vorschlag erarbeitet, der unter Beibehaltung der aktuellen Regelungen die Notwendigkeit von sogenannten „Uploadfiltern“ entfallen lassen soll. Plattformnutzer sollen alle Inhalte hochladen dürfen, für (noch) nicht lizenzierte Inhalte sollen die Plattformen die Rechteinhaber pauschal und automatisch entschädigen (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/eu-urheberrechtsreform-cdu-will-die-uploadfilter-beerdigen-a-1258124.html).

Wir begrüßen diesen Vorschlag ausdrücklich und hoffen, dass er in dieser Form umgesetzt wird. Die Intensität, mit der die Diskussion um dieses Thema in den letzten Wochen geführt wurde, zeigt uns jedoch, dass auch dieser Vorschlag längst noch nicht alle Beteiligten zufriedenstellen wird. Die CDU wird, nachdem sie in dieser Sache zunächst gegen selbstauferlegte Verpflichtungen im Koalitionsvertrag argumentiert hat, noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten haben.

Bei der bisherigen Überzeugungsarbeit sind unserer Ansicht nach einige berechtigte Bedenken zu kurz gekommen. Diese möchten wir gerne mit Ihnen teilen und nachdrücklich für eine Urheberrechtsreform ohne die (auch nur indirekte) Möglichkeit oder Notwendigkeit von Upload-Filtern werben:

Paul Ziemiak erklärte vor kurzem zur Verteidigung der Reform unter anderem, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sein dürfte (siehe http://www.maz-online.de/Nachrichten/Politik/Ziemiak-und-Barley-streiten-ueber-Upload-Filter). Darin hat er vollkommen Recht! Er übersieht jedoch, dass die Reform Plattformbetreibern erst das Recht geben kann, rechtsfreie Räume zu erschaffen oder zu verteidigen. Nicht erst im Zuge von „fake news“-Debatten und Untersuchungen um ausländische Einflussnahme auf die US-Präsidentschaftswahlen sollten Maßnahmen, die Plattformbetreibern neue Rechte zur Löschung von Inhalten geben, mit allerhöchster Vorsicht zu genießen sein. Es wäre verfehlt, zu glauben, dass Plattformen diese Regelungen nicht zum Selbstzweck missbrauchen (siehe z.B. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/diginomics/facebook-loescht-wahlwerbung-von-us-senatorin-elizabeth-warren-16084488.html).

Die derzeitige Regelung nach Art. 13 Abs. 1 trägt Streitereien über Ungereimtheiten der Online-Lizenzierung auf dem Rücken der breiten Masse von Nutzern aus. Es steht ferner zu erwarten, dass die Plattformbetreiber entgegen der Intention des Art. 13 Abs. 2 Rechtsstreitigkeiten (wie derzeit allgemein üblich) in verbraucherunfreundliche Schiedsverfahren ziehen und gerade keinen einfachen Weg zu nationalen Gerichten eröffnen. Das ist nicht hinnehmbar.

Es gibt sinnvolle Alternativen zur derzeitigen Fassung des Artikel 13. Unserer Meinung nach sollten vor allem drei Möglichkeiten in Betracht gezogen werden:

  1. Stärkere Strafen für erwiesene Urheberrechtsverstöße. Es mangelt den Rechteinhabern nicht an Rechtspositionen, die sie anwaltlich und gerichtlich durchsetzen können – lediglich der Prozess ist verbesserungsbedürftig. Ferner können mit höheren Strafen tatsächliche Rechtsverletzer effektiver abgeschreckt werden und unbescholtene Nutzer werden nicht unter Generalverdacht gestellt.

  2. Die Schaffung von zusätzlichen Gerichtskapazitäten zur Verfolgung von digitalen Rechtsverletzungen (wie auch in Art. 13 Abs. 2 vorgeschlagen). Spätestens seit Böhmermanns Erdogan-Gedicht ist klar, dass Entscheidungen über beleidigende, verschmähende oder volksverhetzende Inhalte ein großes Politikum sind, welches breit diskutiert wird. Die Deutungshoheit über derartige Aussagen sollte in staatlicher Hand liegen und Entscheidungen sollten schnell herbeigeführt werden.

  3. Auf Plattformen und Rechteverwerter einwirken, um bestehende Lizenzvereinbarungen zu verbessern (wie auch in Art. 13 Abs. 3 vorgeschlagen). Der nun von Paul Ziemiak erarbeitete Vorschlag setzt insofern genau an der richtigen Stelle an, denn hier liegt die eigentliche Crux der diskutierten Regelungen:

Wenn Nutzer kreativen Inhalt schaffen, sollten diese nicht die Leidtragenden von krankenden Lizenzvereinbarungen zwischen Dritten sein. Die Europäische Union kämpft stets für die Rechte von Verbrauchern – das sollte sie auch hier tun!
Wir möchten Sie deshalb bitten, diese Alternativen sowohl bei den anstehenden Abstimmungen über die Reform wie auch bei künftigen Debatten im europäischen Parlament, Bundestag und Landtag zu berücksichtigen. Ferner ist den überwiegenden Argumenten im medialen Diskurs folgendes entgegenzuhalten:

• Wir dürfen nicht zu viel Verantwortung an Plattformen abgeben. Die FAZ erklärt richtigerweise, dass Kritiker der Reform sich auf „Upload-Filter“ und „Zensurmaschinen“ beschränken, wohingegen die nach Artikel 13 geforderte Maßnahme eher einem „Identifikationssystem“ gleicht, welches fraglos technisch umsetzbar ist und nicht mit immensen Kosten verbunden ist. Hierzu werden Inhalte zunächst automatisch gescannt und freigegeben. Sollte ein möglicher Verstoß festgestellt werden, kann eine Überprüfung durch einen Menschen veranlasst werden (siehe https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/debatte-um-das-urheberrecht-der-kampf-gegen-artikel-13-16085460.html). Der Zwang zur Nutzung eines „Identifikationssystems“ setzt jedoch bereits Anreize zur Schaffung von rechtsfreien Räumen durch Plattformbetreiber, ganz gleich wie das System letztendlich technisch ausgestaltet ist.

Schon seit langem bekannte Episoden aus den Content-Management-Teams von Plattformen wie facebook, twitter und YouTube zeigen, dass auch die Durchsicht von gemeldeten Inhalten von Menschenhand keine einhundertprozentige Erfolgsquote verspricht, zeitintensiv ist und für die eingesetzten Mitarbeiter auf Grund der Art des geteilten Materials enorm belastend ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Plattformen im Zweifel lieber Inhalte ohne menschliche Kontrolle löschen oder gar nicht erst hochladen (auch auf Englisch sehr lesenswert: https://www.theverge.com/2019/2/25/18229714/cognizant-facebook-content-moderator-interviews-trauma-working-conditions-arizona). Dadurch wird die Vielfalt der Inhalte auf Plattformen schon im Vorhinein und ohne Tätigwerden einer legitimen (nämlich nur firmeninternen) Kontrollinstanz beschränkt. Das sollte im hier zu erwartenden Maß nicht hingenommen werden.

• Wir sind stolz auf unsere freie, öffentliche und demokratische Meinungsbildung. Und wir glauben, dass diese langfristig nur robust aufrechterhalten werden kann, wenn die Entscheidung über das, was extremistisch, unsittlich oder schlicht falsch ist nicht in der Hand einer künstlichen Intelligenz auf einem ausländischen Server liegt, sondern in der Hand deutscher Gerichte.

Die Urheberrechtsreform sollte die Freiheit des (digitalen) Binnenmarktes stärken, Verbraucher schützen und Rechteinhaber stärken. In seiner derzeitigen Form scheitert insbesondere Art. 13 Abs. 1 des Entwurfes daran.
Sie haben in Ihrer Eigenschaft als Abgeordnete und zukünftige Abgeordnete die einmalige Chance, eine sinnvolle und langlebige Regelung zu finden, die Rechteinhaber und Nutzer gleichermaßen schützt, berechtigt und verpflichtet. Wir bitten Sie, diese Chance nicht zu verpassen!

Hochachtungsvoll

Für die Junge Union Hochtaunus und ihre Stadtverbände

Unterzeichner

Sebastian Sommer, stellvertretender Landesvorsitzender, Junge Union Hessen
Cornelius Linden, Kreisvorsitzender, Junge Union Hochtaunus
Anne Barth, stellvertretende Kreisvorsitzende, Junge Union Hochtaunus
Nils Schulze-Brüggemann, stellvertretender Kreisvorsitzender, Junge Union Hochtaunus
Yannick Dreyer, Geschäftsführer, Junge Union Hochtaunus
Linneá Piendl, Schriftführerin, Junge Union Hochtaunus
Martin Bollinger, Referent, Junge Union Hochtaunus
Eva Kühl, Referentin, Junge Union Hochtaunus
Angelika Orzechowski, Referentin, Junge Union Hochtaunus
Janis Oberndörfer, Referent, Junge Union Hochtaunus
Julius G. B. Becker, Referent, Junge Union Hochtaunus
Johannes Reißmann, Vorsitzender, Junge Union Bad Homburg
Paul Sillich, stellvertretender Vorsitzender, Junge Union Bad Homburg
Jan Niklas Brill, Pressesprecher, Junge Union Bad Homburg
Lukas Schobert, Schriftführer, Junge Union Bad Homburg
Antonia Sillich, Beisitzerin, Junge Union Bad Homburg
Marie Bergmann, Beisitzerin, Junge Union Bad Homburg
Helen Bergmann, Beisitzerin, Junge Union Bad Homburg
Johannes Bergmann, Beisitzer, Junge Union Bad Homburg
Moritz Gebhardt, Beisitzer, Junge Union Bad Homburg
Alischa Kisser, kooptierte Beisitzerin, Junge Union Bad Homburg
Greta Kühne, kooptierte Beisitzerin, Junge Union Bad Homburg
Leonard Spielberg, kooptierter Beisitzer, Junge Union Bad Homburg
Helen Dawson, Schatzmeisterin, Junge Union Königstein, Glashütten & Schmitten